Regelungen zum Lobbyismus in Mecklenburg-Vorpommern
Seitenwechsel von der Politik in die Wirtschaft, Drehtüreffekt, Karenzzeit für Minister und Parlamentarische Staatssekretäre
Mit Regelungen zu Karenz- / Wartezeiten für Minister und parlamentarische Staatssekretäre für einen Wechsel aus dem Minister- bzw. Staatssekretärsamt zu einer anderen Tätigkeit mit Bezug zu ihrer öffentlichen Aufgabe gibt es eine gewisse Vorsorge gegen Lobbyismus.
Das Landesministergesetz vom 10. 12. 2012 bestimmt dazu:
§ 5a Anzeigepflicht einer Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung
(1) Mitglieder der Landesregierung, die beabsichtigen, innerhalb der ersten zwölf Monate nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes aufzunehmen, haben dies der Landesregierung schriftlich anzuzeigen. Satz 1 gilt für ehemalige Mitglieder der Landesregierung entsprechend.
(2) Die Anzeigepflicht entsteht, sobald ein Mitglied oder ehemaliges Mitglied der Landesregierung mit Vorbereitungen für die Aufnahme einer Beschäftigung beginnt oder ihm eine Beschäftigung in Aussicht gestellt wird. Die Anzeige soll mindestens einen Monat vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgen. Wird die Frist nicht eingehalten, kann die Landesregierung die Aufnahme der Tätigkeit bis zur Dauer von höchstens einem Monat vorläufig untersagen.
§ 5b Untersagung der Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung
(1) Die Landesregierung kann die Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung für die Zeit der ersten zwölf Monate nach dem Ausscheiden aus dem Amt ganz oder teilweise untersagen, soweit zu besorgen ist, dass durch die Beschäftigung öffentliche Interessen beeinträchtigt werden. Von einer Beeinträchtigung ist insbesondere dann auszugehen, wenn die angestrebte Beschäftigung
- 1. in Angelegenheiten oder Bereichen ausgeübt werden soll, in denen das ehemalige Mitglied der Landesregierung während seiner Amtszeit tätig war, oder
- 2. das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Landesregierung beeinträchtigen kann.
Die Untersagung ist zu begründen.
(2) Die Landesregierung trifft ihre Entscheidung auf Empfehlung eines aus drei Mitgliedern bestehenden, beratenden Gremiums. Das beratende Gremium hat seine Empfehlung zu begründen. Es gibt seine Empfehlung nicht öffentlich ab.
(3) Die Entscheidung soll innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige gemäß § 5a Absatz 1 erfolgen. Sie ist unter Mitteilung der Empfehlung des beratenden Gremiums im Amtsblatt für Mecklenburg-Vorpommern bekanntzumachen.
§ 5c Mitglieder des beratenden Gremiums
(1) Die Mitglieder des beratenden Gremiums sowie deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter sollen Funktionen an der Spitze staatlicher oder gesellschaftlicher Institutionen wahrgenommen haben oder über Erfahrungen in einem wichtigen politischen Amt verfügen. Sie werden auf Vorschlag der Landesregierung jeweils zu Beginn einer Wahlperiode des Landtages von der Landtagspräsidentin oder dem Landtagspräsidenten berufen und sind ehrenamtlich tätig. Bei vorzeitigem Ausscheiden eines Mitgliedes oder stellvertretenden Mitgliedes ist eine ergänzende Berufung für die verbleibende Wahlperiode vorzunehmen.
(2) Die Mitglieder sowie die Stellvertreterinnen und Stellvertreter des beratenden Gremiums sind auch nach ihrem Ausscheiden zur Verschwiegenheit über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten verpflichtet.
(3) Die Mitglieder des beratenden Gremiums sowie deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter erhalten eine pauschale Entschädigung sowie Ersatz ihrer Reise- und Übernachtungskosten entsprechend den Vorschriften des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes. Die Festsetzung erfolgt durch die Chefin oder den Chef der Staatskanzlei im Einvernehmen mit dem Finanzministerium.
(4) Die Mitglieder des beratenden Gremiums sowie deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter üben ihre Tätigkeit so lange aus, bis neue Mitglieder nach Absatz 1 Satz 2 berufen worden sind. Wiederberufungen sind zulässig.
(5) Für die Erfüllung seiner Aufgabe ist dem beratenden Gremium das notwendige Personal und die notwendige Sachausstattung zur Verfügung zu stellen.
§ 5d Übergangsgeld für die Dauer der Untersagung
Wird die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung nach § 5b Absatz 1 Satz 1 untersagt, so wird das Übergangsgeld nach § 12 für die Dauer der Untersagung gewährt, sofern sich nicht aus § 12 Absatz 1 ein weitergehender Anspruch ergibt.
Nach § 5 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse Parlamentarischer Staatssekretärinnen und Parlamentarischer Staatssekretäre (LParlG) vom 18. Juli 1991gelten diese Regelungen für Parlamentarische Staatssekretäre entsprechend.
Für die ganz überwiegende Zahl der beamteten Staatssekretäre gelten die vorstehenden Regelungen nicht. Hier gilt das Beamtenrecht, z. B. § 105 Bundesbeamtengesetz.
Zu einem Gesetzentwurf der Landtagsfraktion Bündnis90/Die Grünen zur Verlängerung der Karenzzeit: https://gruene-fraktion-mv.de/2022/09/07/pressemitteilung-7-9-2022-3/
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Ex-SPD-Bundestagsabgeordneter Arlt wechselt in die Rüstungsindustrie
Anders als bei Bundes- und Landesministern gelten für Abgeordnete bei einem Wechsel in die Wirtschaft keine Karenzzeiten.
Der ehemalige Neustrelitzer SPD-Bundestagsabgeordnete und Verteidigungsexperte Arlt wird Rüstungsmanager. Der 41-Jährige hat eine Führungsaufgabe im Unternehmen STARK Defence mit Sitz in Berlin, München und Kiew übernommen. Die Firma stellt Kampf-Drohnen für den Einsatz in der Ukraine her. Johannes Arlt (SPD) übernimmt dort jetzt den Posten des Senior Vice President. Der 41-Jährige arbeitet damit direkt unterhalb des Vorstands des noch jungen Unternehmens, das sich auf die Produktion von Kampf-Drohnen konzentriert.
Für Arlt ist die neue Aufgabe ein ganz besonderer Seitenwechsel: Bei der Bundestagswahl im Februar hatte er den Wiedereinzug ins Parlament verpasst. Vor gut einem Monat scheiterte er als SPD-Kandidat bei der Landratswahl im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Jetzt nutzt der Ex-Luftwaffensoldat nach knapp vier Jahren im Bundestag offenbar seine Kontakte, die er auch als Mitglied im Verteidigungsausschuss knüpfte. Schon im vergangenen September warb er für eine Stärkung der Rüstungsindustrie und lobte den Firmengründer Florian Seibel für seine Innovation: "Gerade in der Ukraine tragen Drohnen seiner Firma Quantum Systems zum erfolgreichen Abwehrkampf bei", schrieb Arlt.
Arlt war während seiner Zeit als Luftwaffen-Offizier Operateur von Bundeswehr-Drohnen, unter anderem bei sieben Auslandseinsätzen in Afghanistan und Mali. Von 2019 bis 2021 absolvierte er eine Generalstabsausbildung an der Swedish Defence University in Stockholm. Bei seinem neuen Arbeitgeber soll er "Partnerschaften und Netzwerke in Europa auszubauen sowie die Präsenz in den nordischen Märkten stärken", teilte STARK Defence mit. Arlt bringe nicht nur sicherheitspolitische Erfahrung aus dem Parlament mit, "sondern auch zusätzliche operative Expertise aus der Bundeswehr". Man freue sich, "mit ihm eine Schlüsselrolle beim strategischen Aufbau einer unabhängigen Verteidigungsindustrie in Europa besetzen zu können".
Arlt ist der SPD auch ohne Mandtat und Amt trotz des Rüstungsjobs weiter verbunden: Er ist neben der Landtagsabgeordneten Nadine Julitz Co-Kreisvorsitzender in der Mecklenburgischen Seenplatte.
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Stellungnahme zum Entwurf zur Änderung des Landesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse Parlamentarischer Staatssekretäre in Mecklenburg-Vorpommern
Linke legt Gesetzentwurf für Karenzzeit von Ministern vor
Lobbyismus: Seitenwechsel ohne Auflage
19.09.2014
...Laut svz.de können Ministerinnen und Minister in Mecklenburg-Vorpommern weiter ohne Auflagen unmittelbar nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt in die Privatwirtschaft wechseln, für die sie zuvor politische und Verwaltungsentscheidungen getroffen haben. Ein Antrag von Bündnis90/Die Grünen und DIE LINKE für eine dreijährige Karenzzeit sei abgelehnt worden. ...
https://www.transparency.de/aktuelles/detail/article/lobbyismus-seitenwechsel-ohne-auflage
Ex-Minister ist Lobbyist für Windkraft-Firma
22.08.2014
Laut ndr.de hat Mecklenburg-Vorpommerns früherer Energieminister Volker Schlotmann (SPD) einen Posten bei einer Windenergie-Gesellschaft aus Rerik übernommen. Schlotmann werbe als „Kommunikationsdirektor“ für Windkraft- und Solarprojekte der Kloss New Energy.
https://www.transparency.de/aktuelles/detail/article/ex-minister-ist-lobbyist-fuer-windkraft-firma
Übersicht zu Regelungen zur Karenzzeit in Deutschland auf lobbypedia.de