Lobbyismus in Mecklenburg-Vorpommern
Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
Artikel 22 Abs.1 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern
Lobbyismus hat erheblichen Einfluss auf Politik und Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern. Der Umgang mit Lobbyismus hat großen Einfluss auf das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität staatlicher Instanzen. Transparenz ist dabei zentral.
Zu Lobbyismus gibt es unzählige Literatur und immer wieder aktuelle Berichterstattung. Transparenz bei Lobbyismus spielt auf der Agenda der Landespolitik eine untergeordnete Rolle, nur teilweise ist sie in der Programmatik der Parteien in Mecklenburg-Vorpommern verankert. Lobbycontrol und Transparency International widmen sich dem Ziel, Tranzparenz bei Lobbyismus herzustellen.
Wer bis Anfang 2021 Google befragte nach Lobbyismus in Mecklenburg-Vorpommern, bekam nicht allzu viele Treffer, Philipp Amthor, Karin Strenz, Volker Schlotmann, das war´s eigentlich, was größere Wahrnehmung erfuhr. Mit der Gas-Lobby um Nord Stream 2 und der Klimastiftung MV hat sich das geändert. Leider belegt Mecklenburg-Vorpommern jetzt beim Thema Lobbyismus einen prominenten Platz.
Der Skandal um die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und die „LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Mecklenburg-Vorpommern e. V.“ mit dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss dazu sind nach 2020 leider schon fast in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht, wie der Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern in seinem Landesfinanzbericht 2022 festgestellt hat. Siehe Nordkurier vom 12. 12. 2022. Siehe auch die Antwort der Landesregierung vom 21. 4. 2023 auf eine Kleine Anfrage Lt-Drs. 8/1997Kleine Anfrage Lt-Drs. 8/1997
Transparency International Deutschland zum Wohlfahrtstransparenzgesetz Mecklenburg-Vorpommern.
Spezifischer Lobbyismus auf Landesebene findet wenig öffentliche Wahrnehmung. Lobbyismus in Mecklenburg-Vorpommern verdient mehr Aufmerksamkeit auch außerhalb jeweils aktueller Skandale.
Nach der Veröffentlichung eines Lobbyrankings vom März 2022 belegt Mecklenburg-Vorpommern nun den vierten Platz. Dies ist auf die Einführung des neuen Transparenzregisters für den Landtag Ende 2021 zurück zu führen. 2021 belegte Mecklenburg-Vorpommern noch den vorletzten Platz. Das Transparenzregister/Lobbyregister ist allerdings unzureichend. Es beschränkt sich auf den Landtag und gibt keinerlei Aufschluss auf Art und Umfang des Lobbying. Relevanz hat das Transparenzregister nur bei der Beteiligung an parlamentarischen Anhörungen oder Expertengesprächen. Zu den Anforderungen an ein Transparenzregister siehe bei Transparency Deutschland.
Beim Lobbyranking 2024 rutscht Mecklenburg-Vorpommern im Ländervergleich auf den 7. Platz ab. In allen vier Bereichen Lobbyregister, Legislativer Fußabdruck, Karenzzeit und Verhaltensregelnvier sind - auch nur zum Teil - lediglich Anfänge gemacht. Mecklenburg-Vorpommern tritt hier auf der Stelle.
Bericht des NDR vom 13. 8. 2024
Zum Transparenzregister detaillierter hier:
Was ist Lobbyismus? Wie funktioniert Lobbyismus?
Lobbyismus, Lobbying oder Lobbyarbeit ist eine aus dem Englischen (lobbying) übernommene Bezeichnung für Interessenvertretung in Politik und Gesellschaft, bei der Interessengruppen („Lobbys“) – vor allem durch die Pflege persönlicher Verbindungen – die Exekutive, die Legislative zu beeinflussen versuchen. Quelle: Wikipedia
Hier wird der Begriff Lobbyismus in einem weiten Sinn benutzt. Hier ist damit grundsätzlich jede Form der Einflussnahme auf Politik und Verwaltung gemeint. Damit wird hier auch auf die Interessenvertretung nach den Regularien der Landesregierung und des Landtages eingegangen.
Lobbyismus ist umstritten. Lobbyismus ist nicht a priori illegitim. Lobbyismus ist dann problematisch und illegitim, wenn er verdeckt erfolgt, demokratisch nicht legitimierte Mittel einsetzt und die in einer repräsentativen Demokratie vorgesehenen Verfahren unterläuft und die demokratische Legitimation der gewählten Vertreter des Volkes aushebelt.
Lobbyismus kann dann problematische Ausmaße und Wirkungen erzeugen, wenn damit letztlich eine Dominanz von Lobbyinteressen erzeugt wird, die den Abgeordneten oder den nach der verfassungsmäßigen Ordnung zuständigen Entscheidungsträgern keine eigenverantwortliche Entscheidung mehr ermöglicht. Verbände werden intensiv in die Arbeit der Landesregierung eingebunden. Dieses trägt zu einer Relativierung des Einflusses der gewählten Abgeordneten bei und schwächt die demokratische Legitimation der Entscheidungen der Landespolitik.
Siehe:
Lobbyismus - Ein Podcast von Transparency International Deutschland mit Norman Loeckel
Lobbycontrol e. V. Köln Lobbycontrol.de
Transcareny International Deutschland e. V. Transparency
Die Landesregierung und der Landtag als Adressaten von Lobbyismus:
Die Landesregierung ist der Hauptadressat von Aktivitäten des Lobbyismus.
Ziele des Lobbyismus sind die Einflussnahme auf Gesetzgebungs- und Normsetzungsaktivitäten der Landesregierung, die Einflussnahme auf die Entwicklung und Umsetzung von Richtlinien zur Fördermittelvergabe, auf die Entwicklung und Umsetzung von Vorhaben der Landesplanung, aber auch auf die Besetzung von Gremien bis hin zu Personalentscheidungen.
Grundsätzlich ist die Geltendmachung von Interessen gegenüber der Landesregierung legitim (und legal). Interessenvertreter / Lobbyisten bringen neben ihrer spezifischen Interessenlage auch eine Fülle von Sachverstand in die Arbeit der Landesregierung ein, über die die Mitarbeiter der Landesregierung im Umfang der betroffenen Fachleute garnicht verfügen können.
Dementsprechend ist die Zusammenarbeit der Landesregierung mit Interessenvertretungen bei vielen Vorhaben, insbesondere bei der Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen auch regulär in der GGO II der Landesregierung geregelt, siehe unter Regularien.
Eine systematische Zusammenarbeit findet darüber hinaus in einer Fülle von Gremien statt, die in allen Ressorts der Landesregierung dauerhaft, teils sogar auf gesetzlicher Grundlage oder ad hoc für bestimmte Vorhaben eingerichtet sind.
Mit Regelungen zu Karenz- / Wartezeiten für Minister und parlamentarische Staatssekretäre für einen Wechsel aus dem Minister- bzw. Staatssekretärsamt zu einer anderen Tätigkeit mit Bezug zu ihrer öffentlichen Aufgabe gibt es eine gewisse Vorsorge gegen Lobbyismus. Zum "Drehtüreffekt" anschaulich: https://katapult-magazin.de/de/artikel/jobkarussell-fuer-politiker vom 2. November 2022
Strukturen - Akteure
Lobbyismus in Mecklenburg-Vorpommern erfolgt nicht zufällig und vereinzelt, sondern systematisch, ist teils in Regulatien des Landtags und der Landesregierung geregelt. Lobbyismus findet auch in regulär etablierten Gremien der Landesregierung statt. Teils könnte man denken, Lobbyismus ist in Mecklenburg-Vorpommern ein integraler Teil des staatlichen Systems (Korporatismus). Die Akteure des Lobbyismus haben sich systematisch organisiert.
Die Akteure des Lobbyismus in Mecklenburg-Vorpommern sind Verbände der Wirtschaft, Gewerkschaften und Berufsverbände, Verbände der Kommunen, Vebände der verschiedensten wirtschaftlichen, kulturellen, sportlichen oder sonstigen Interessen. Es können alle sein, die am Agieren oder Nicht-Agieren des Staates und seiner Gliederungen ein Interesse haben, an Gesetzgebung und Verwaltung, an der Vergabe von Finanzmitteln oder an sonst einer staatlichen Einflussnahme. Auf https://www.verbaende.com/suche/ ergibt die Suche nach Verbänden in Mecklenburg-Vorpommern 228 Treffer.
Handlungsbedarf
Verlängerung der Karenzzeit für Minister und parlamentarische Staatssekretäre von 12 auf 18 Monate durch eine Änderung des Landesministergesetzes
Vom Informationsfreiheitsgesetz zu einem Transparenzgesetz.
Das Transparenzgesetz ist eine von der Zivilgesellschaft seit langem geforderte Reform, die das Handeln von Staat und Regierung besser nachvollziehbar und überprüfbar machen soll.
Nach dem bestehenden Informationsfreiheitsgesetz (IFG MV) haben Bürger:innen zwar Anspruch auf viele staatliche Informationen, müssen diese jedoch einzeln anfragen. Oft gibt es Rechtsstreitigkeiten darum, welche Informationen unter welchen Bedingungen herauszugeben sind. Das Transparenzgesetz würde „aus der Holschuld des Bürgers eine Bringschuld des Staates“ machen.
Einführung eines Lobbyregisters mit legislativem Fussabdruck.
Die Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland (IFK)Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten in Deutschland (IFK) fordert die Einführung eines Lobbyregisters.
Landtagsausschüsse sollen öffentlich tagen.
Gemäß Artikel 33 Absatz 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern sind Ausschusssitzungen in der Regel nicht öffentlich, soweit nicht der Ausschuss für einzelne Sitzungen oder Beratungsgegenstände anderes beschließt. Letzteres kommt aber nur äußerst selten vor. In 10 bundesländern tagen die Landtagsausschüsse grundsätzlich öffentlich.