2023
26. Juli
Der NDR berichtet, dass das Energieministerium in Mecklenburg-Vorpommern hat zentrale Informationen über den Bau der Nord-Stream-Pipeline nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dabei handelt es sich um den E-Mail-Verkehr im Ministerium, in dem unter anderem über die Rokai GmbH diskutiert wird. Das Unternehmen Rokai war in den Bau der Nord-Stream-Pipeline involviert. In den E-Mails diskutieren ranghohe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums darüber, ob die Rokai GmbH eher von Rostock oder von Sassnitz-Mukran aus agieren solle. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD), damals an der Spitze des Energieministeriums, war in den E-Mail-Verkehr aktiv eingebunden. Das Energieministerium hatte sowohl eine Anfrage eines NDR Journalisten zur Rokai GmbH als auch eine spätere Anfrage der Grünen im Landtag mit dem Hinweis beantwortet, entsprechende Dokumente und Informationen lägen im Ministerium nicht vor.
Der Vorgang ist aus mehreren Gründen politisch heikel. Christian Pegel steht in der Kritik, weil ihm die Opposition einen intransparenten Umgang mit dem Bau der Nord-Stream-Pipeline vorwirft. So war unlängst bekannt geworden, dass Pegel E-Mails aus seiner damaligen Zeit als Energieminister gelöscht hat. Weiter gilt die Rolle der Rokai GmbH als umstritten. Das Unternehmen hatte einen Millionen-Auftrag von der Klimaschutzstiftung MV erhalten. Erst durch die Rokai GmbH konnte es nach Ansicht der Opposition im Schweriner Landtag gelingen, den Bau der Nord-Stream-Pipeline - trotz bestehender US-Sanktionen - zu beenden.
Bei der Suche nachk einem einen neuen Basishafen für die Flotte der russischen Verlege- und Versorgungsschiffe zu finden, die Nord Stream 2 fertigbauen sollten, tauchte plötzlich die Firma Rokai GmbH auf. Am 15. Dezember 2020 schickte ein damaliger Referatsleiter im Energieministerium eine E-Mail, die wenig später auch seinen Minister erreichte: "Anliegend die Anfrage der noch in Gründung befindlichen Fa. Rokai GmbH zur Anmietung einer Kai- und Logistikfläche im Maritimen Gewerbegebiet Groß-Klein (MAGEB) für Versorgung und Umrüstung der Schiffe Akademik Cherskiy und Fortuna u.a. für Pipeline-Verlegearbeiten. Eigentümer und Betreiber der Hafenanlage ist Rostock. Die Stadt würde das Geschäft aus wirtschaftlicher Sicht begrüßen." Im Anhang der E-Mail: ein Unternehmenskonzept und die entsprechende Anfrage des Rostocker Hafenkapitäns.
Doch Minister Pegel zögerte zunächst: "Die Aktivitäten würden wir eigentlich gern alle in Sassnitz Mukran poolen. Die Sassnitzer haben sich da derzeit leider ein wenig eigen. Deshalb ist diese Anfrage in Rostock erfolgt. Dem können wir gern folgen…", schrieb der Minister seinen Mitarbeitern. Doch auch in Rostock gab es Widerstand, unter anderem von der Meyer Werft, deren Gelände direkt an den geplanten Basishafen angrenzt. Das Unternehmen fürchtete, dass die räumliche Nähe zu Nord-Stream-2-Aktivitäten geschäftsschädigend sein könnte, heißt es in den E-Mails.
Am Ende verständigten sich das Ministerium, die Stadt Rostock und die Rokai GmbH dann doch auf den MAGHEB-Kai Rostock. Politische Bedenken habe er keine, ließ Pegel seine Mitarbeiter wissen. Dass es die Rokai GmbH bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht gab und eine frisch gegründete Firma nun den mit 36 Millionen Euro größten Auftrag der Klimaschutzstiftung bekommen sollte, sorgte schnell für Fragen: aus dem Landtag und von Journalisten. Mecklenburg-Vorpommern hatte die sogenannte Klimaschutzstiftung eingerichtet, um in ihr Aktivitäten rund um Nord Stream 2 zu bündeln. Pegel hatte mehrfach öffentlich dargelegt, dass er selbst in die Gründung der Klimaschutzstiftung involviert gewesen sei und deren Satzung maßgeblich geschrieben habe.
Mitte März 2021 hat einr NDR Reporter das Schweriner Energieministerium in der Sache um Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz gebeten. Der Journalist erfragte die Herausgabe sämtlicher Kommunikation des Ministeriums, die die Rokai GmbH betrifft. Nach geltendem Recht ist das Ministerium zur Herausgabe der Unterlagen verpflichtet, sofern dem nicht beispielsweise Geschäfts- oder Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Anfang Mai 2021 antwortet Pegels damalige Pressesprecherin: "Ich kann Ihnen mitteilen, dass Dokumente der von Ihnen nachgefragten Art im Ministerium nicht vorliegen."
Eine ähnlich lautende Kleine Anfrage des Grünen-Landtagsabgeordneten Hannes Damm zur Rokai GmbH beantwortete das Ministerium ein Jahr später noch einsilbiger: "Der Landesregierung liegen hierüber keine Informationen vor." Doch beides trifft offenbar nicht zu. So erklärte Pegels Abteilungsleiter am 15. Dezember 2020, er wolle abklären, "ob politische Bedenken unserer Hausleitung" bestehen. Eine Frage, die eigentlich nur der Minister selbst seinem Mitarbeiter beantworten kann. Vorher hatte ebenjener Abteilungsleiter das Geschäftskonzept der Rokai GmbH bekommen und per E-Mail im Ministerium verteilt - mit eben jener E-Mail, die wenig später auch den Minister erreichte.
Auch in der Rostocker Bürgerschaft hatte der Vorgang für Irritationen gesorgt. Denn im Pachtvertrag mit der Rokai GmbH war zunächst die Rede davon, dass diese angeblich Offshore-Versorgungsschiffe für Windkraft- und andere Anlagen ausstatten sollte. Ein Hinweis auf das Nord-Stream-2-Projekt fehlte.
Auf Nachfrage des NDR hatte eine Sprecherin von Minister Pegel mitgeteilt, es habe zwischen dem Energieministerium und der Firma Rokai "keinen direkten Kontakt" gegeben. An die fragliche Beschäftigung im Ministerium mit dem Unternehmen habe sich Pegel nicht mehr erinnert, der Minister teile "dieses Schicksal mit den befassten Kolleginnen und Kollegen der Verkehrsabteilung im damaligen Energieministerium". Weiter heißt es: "Die fehlende Erinnerung des Ministers und weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verkehrsabteilung führte zu fehlerhaften Beantwortungen der damaligen Presseanfrage und des IFG-Antrages sowie der Kleinen Anfrage, war aber eben keine vorsätzliche Vorenthaltung von Erkenntnissen, zumal es dafür auch kein Motiv gegeben habe." Weshalb das Ministerium nicht einfach in seinem Archiv nach den Unterlagen gesucht hat, erklärte die Sprecherin nicht.
Der NDR prüft in diesem Zusammenhang rechtliche Schritte gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern. Unabhängig davon läuft eine Klage eines NDR Reporters vor dem Verwaltungsgericht Schwerin gegen die Hansestadt Rostock, die bis heute die Herausgabe sämtlicher Dokumente in der Causa Rokai GmbH verweigert.
https://www.ndr.de/Nord-Stream-2-Ministerium-hielt-weitere-Informationen-zurueck,nordstreamzwei104.html